Laos – ein Land das mich berührt

Als ich nach dieser langen Zeit von Pai aufbreche, bin ich froh, dass es wieder weitergeht und ich in Bewegung komme. Auf Grund meiner nur kurzen Recherche im Internet, gehe ich ziemlich unvorbereitet auf die Weiterreise. Das verschafft mir dann auch gleich mal eine unfreiwillige Nacht in Chiang Mai, denn der Transfer, an die Grenze bei Chiang Khong, ist ausgebucht und erst am nächsten Tag möglich. Als ich im Minivan nur noch in der hintersten Reihe einen Platz finde und sich weder zwischen meiner Sitznachbarin, noch dem Gepäck auf meiner anderen Seite ein Millimeter Luft befindet, weiß ich nicht, wie ich die vier Stunden kurvenreiche Fahrt überstehe. Um zwei Uhr in der Nacht ist die Fahrt endlich zu Ende und ich darf dafür mit einer mir fremden Engländerin ein Doppelbett teilen. Manchmal frage ich mich, warum ich mir diese Art des Reisens ausgesucht habe und ob man irgendwann abstumpft.

Die zweitägige Bootsfahrt auf dem Mekong, mit 120 anderen Menschen, entschädigt mich dann für vieles. Die Fahrt ist zwar nicht sonderlich bequem, aber ein wunderschönes Erlebnis. Von dieser Perspektive aus betrachtet, zeigt sich mir dieses Land in seiner Ursprünglichkeit. Die schlichten Bambushütten lassen erahnen, wie die Menschen in absoluter Einfachheit leben. Es ist ein besonders friedliches Bild, wie sich Frauen im Mekong waschen, Kinder darin baden und die Männer das Wasser mit kleinen Eimern aus ihren Fischerbooten schöpfen und zwischendurch auch mal einen Schluck des Flusswassers trinken. Ziegen, Wasserbüffel und auch Elefanten runden das Bild am Flussufer ab. Mönche, die sich in orangefarbenen Gewändern rund um ihre Tempel bewegen, geben dem Allem noch eine besondere Farbe.

Die ersten Tage in Luang Prabang bewege ich mich durch die ungewohnte Hitze nur sehr langsam. Das Weltkulturerbe beeindruckt mich durch die prunkvollen Tempel, eine bezaubernde Altstadt, die Handwerkskunst der Stadt und die Gemächlichkeit der Menschen. Zum Wasserfest, dem Neujahrsfest hier, zeigen die Laoten eine bunte und ausgelassene Tradition. Die ganze Stadt verwandelt sich über mehrere Tage zu einem einzigartigen Schauspiel. Jeder, ob alt oder jung, ob einheimisch oder nicht, wird mit Wasser bespritzt. Dadurch wünschen sie sich untereinander Glück, Gesundheit und Fröhlichkeit. Die Besitzer meiner Unterkunft geben auch mir einen Eimer und laden mich, mit einem Kuss auf die Wange, lachend ein mitzumachen. Bei Temperaturen von bis zu 45 Grad eine willkommene Abkühlung. Am dritten Tag entscheide ich mich trocken zu bleiben, denn durch die dauernasse Kleidung auf der Haut, setzt bei mir eine Erkältung ein. Aber noch keinen Meter auf der Straße, werde ich schon wieder mit viel Glück, in Form von Wasser, beschenkt.

Auf dem Morgenmarkt von Luang Prabang sehe ich vieles, was ich nicht wirklich auf dem Teller haben möchte. Und irgendwann kann ich auch das Essen von den vielen Garküchen nicht mehr genießen. Zu sehen, wie das Essen über Stunden in der Hitze liegt, lässt meinen Magen irgendwann streiken und ich ziehe es vor im Restaurant zu essen oder mir Obst zu kaufen. Der Lao Kaffee allerdings wird mir zu Hause fehlen. Ich finde ihn sehr lecker und äußerst bekömmlich.

Die Menschen hier sind irgendwie anders als in Thailand. Sie begegnen einem mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und ein herzliches „Sawadee“ (Hallo) ist noch lange keine Aufforderung etwas zu kaufen. Die Tuktuk Fahrer sind etwas aktiver, ein Nein wird aber dennoch mit einem freundlichen Lächeln akzeptiert. Auch wenn die Stadt durch den Tourismus einen gewissen Reichtum erahnen lässt, sehe ich die vielen armen Familien. Die kleinen Kinder berühren mich sehr. In ihren großen dunklen Augen funkelt nicht nur eine kindliche Fröhlichkeit, ich nehme oftmals auch eine Sehnsucht darin wahr. Manchmal macht mich das traurig und ich würde gerne einen Hauch ihrer Gedanken und Gefühle erhaschen.

So endet am elften Tag die Zeit in Luang Prabang und es geht mit dem Bus weiter nach Vientiane. Die Luft ist zwar stark getrübt durch die Abfeuerung der Wälder, aber das was ich von der Landschaft sehen kann, gefällt mir sehr. Wie schön muss es hier erst nach der Regenzeit sein, wenn alles in einem satten Grün leuchtet und die Sonne wieder durch den Himmel sichtbar ist. Die kurvenreiche Fahrt durch die Berge verschafft uns Reisenden dann einen dreistündigen Aufenthalt in einem kleinen Ort, denn etwas an der Vorderachse des Busses scheint wohl defekt zu sein. Die Reparatur lässt immer mehr Einheimische zusammenkommen und ich bin mir nicht sicher, wer wen mehr neugierig beobachtet. Nachdem der Busfahrer, schwarz von oben bis unten, seinen Erfolg kundgibt, geht die Fahrt, inzwischen bei Dunkelheit, weiter.

Nach einer kurzen, aber erholsamen Nacht beginnt bereits das nächste kleine Abenteuer. Im Hostel buche ich das Ticket für den Nachtzug nach Bangkok, inklusive Transfer über die Grenze bis zum Bahnhof. Ich freue mich, dass zum Schluss meiner Reise diese Buchung so unkompliziert vonstatten geht. Eine halbe Stunde später gibt mir die Laotin mit einem freundlichen Lächeln das Geld zurück und teilt mir mit, dass die Agenturen heute aufgrund des Neujahrsfestes geschlossen haben und ich das Zugticket direkt am Schalter im thailändischen Nong Khai kaufen muss. Freude setzt jetzt nicht gerade bei mir ein, denn ich muss dadurch zuerst mit dem Tuktuk vom Hostel zur Busstation, dort mit dem Localbus bis zur Grenze, zwischen dem laotischen Ausreise- und dem thailändischen Einreisestempel wieder mit dem Bus, um dann mit dem Tuktuk zum Bahnhof zu gelangen. Auch wenn mir gesagt wird, dass es kein Problem ist, für heute noch einen Platz im Zug zu erhalten und ich noch genügend Zeit habe, bin ich froh, als sich mir eine andere und zwar zeitnahe Möglichkeit bietet. Ich kann mit jemanden bis zur Grenze mitfahren. Den Ausreisestempel von Laos erhalte ich ganz schnell. Als ich allerdings ein paar Minuten später vor dem thailändischen Beamten stehe, er mich keines Blickes würdigt, meinen Reisepass dafür umso mehr, am Nebenschalter bereits sechs Personen durchgelassen werden und er seinem Kollegen etwas zuflüstert, wird mir dann doch etwas heiß. Eine gefühlte Ewigkeit später setzt er seinen Stempel in meinen Pass und ich darf nach Thailand einreisen. Am Bahnhof angekommen erwartet mich dann an der Information ein freundliches „der Zug ist ausgebucht für heute“. Die Dame hat wohl selten so ein verzweifeltes Gesicht gesehen und fragt direkt am Schalter nach. Irgendwie ist doch noch ein Ticket da und ich bin erleichtert, dies nun in Händen zu halten. Die nächsten sechs Stunden warte ich in einem kleinen Lokal auf die Abfahrt.

Eine seltsame Mischung tut sich dabei bei mir kund. Auf der einen Seite weiß ich gerade nicht, wie ich die letzten Stunden und Tage hier in Thailand überstehen soll und auf der anderen Seite überfällt mich eine Traurigkeit, da ich dieses Land bald verlasse. In dieser Gefühlswallung nehme ich dabei die Herzlichkeit der Menschen um mich wahr. Wie ich im Lokal fast schon liebevoll umsorgt werde, wie der Polizist die Autos anhält, damit ich sicher über die sechsspurige Straße gelange, wie mir die Menschen einfach so lächelnd begegnen. Und dann erblicke ich zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder die Sonne und ein Stückchen blauen Himmels. So sitze ich nun an den Gleisen und meine Augen sehen plötzlich eine Schönheit im ganz normalen Ablauf des Lebens. Ich bin den Tränen gerade mehr als nahe. Mir wurde gesagt, dass ich auf meiner Reise eine Herzensbegegnung machen werde. Und was, wenn ich gerade eben mir selbst begegne, genau jetzt in diesem einen Moment. Am liebsten möchte ich einfach nur hier sitzen bleiben und diesen Augenblick einfrieren. Dabei vergesse ich ganz, mir etwas zum Essen zu besorgen und als der Zug los rollt, macht sich dann auch mein Magen bemerkbar. Als ich im Bordrestaurant ankomme, empfängt mich dort laute kubanische Musik. Einer der Zugschaffner hat sichtlich Freude daran und tanzt in ausgelassener Stimmung dazu. Anscheinend ist für das erste die Arbeit getan, denn alle Zugbegleiter, der mitfahrende Polizist und auch der Koch versammeln sich zum gemeinsamen Essen und Tanzen. Mein Essen genieße ich zwei Stunden lang in dieser angenehmen Atmosphäre und begebe mich dann irgendwie glücklich und zufrieden zu meinem Schlafabteil und habe die wohl beste Fahrt in dieser ganzen Zeit.

So komme ich dann am nächsten Morgen ausgeschlafen in Bangkok an und bin gespannt, ob ich in den nächsten zwei Tagen diese Großstadt, nach all den vielen Erlebnissen, anders wahrnehme als noch vor ein paar Monaten. Die letzten Stunden meiner Reise beginnen….